Wahre Größe: Über sich hinauswachsen

Wie groß sind Sie? lch bin 1,65 m. Also Durchschnitt. Die deutsche Durchschnittsfrau ist 1,66 m groß, der Mann 1,79 m. Tendenziell wird der Mensch immer größer: 1850 lag der Schnitt beim Mann noch bei 1,64 m, bei der Frau bei 1,51 m.

Wir können wachsen

In einer jugendlichen Laune habe ich einmal beschlossen, nicht mehr zu wachsen. Öfter habe ich mir den Kopf gestoßen. Und da dachte ich mir: Das ist mein Wunsch, nein, mein Entschluss Das Wachsen wird eingestellt. – Geholfen hat es nicht. Wir können unser Wachsen nicht einstellen …

… aber wir können das Gegenteil: Wir können über uns hinauswachsen. Jede und jeder von uns. Das liegt in meiner Entscheidung. Und zwar mit einer Antwort auf die Frage: Bin ich bereit, Dinge zu tun, die ich mir eigentlich nicht zutraue?

lch z. B. habe mich lange nicht getraut, mit fremden Menschen zu telefonieren – für mein Inneres ein Alptraum! Wie sollte ich dann als Generaloberin in die notwendigen Kontakte gehen und darin dieser Verantwortung gerecht werden? Aber ich habe das große Glück gehabt, Menschen um mich zu haben, die mir etwas zugetraut haben. Sie haben mich aufgemuntert, mich unterstützt und auch gelobt.

Über sich hinauswachsen. Da geht noch viel mehr. Da hat ein Mensch einem anderen mit einer Herzdruckmassage das Leben gerettet, bis der Rettungswagen kam. „Ich habe gar nicht gewusst, wie das geht“, hat er nachher erzählt. Aber in der Situation hat er einfach das Richtige gemacht. Gerade in der Not wachsen Menschen über sich hinaus.

Foto: Sankt Elisabeth Krankenhaus Eutin

Wachsen an Herausforderungen

Unsere Krankenhäuser sind prädestinierte Orte dafür. Wer sich in Pflege oder Medizin ausbilden lässt, wer im alltäglichen Dienst am Patienten immer wieder nicht alltägliche Situationen bewältigen muss, wächst Stück um Stück über sich hinaus. Danke für Ihren Mut!

Mich bewegen auch Erfahrungen meiner USA-Reise im Juli. Vinzentinische Schwesterngemeinschaften – überaltert wie auch wir –, aber voller Leben, weil sie ihr Charisma teilen und so viele Frauen und Männer begeistert haben. Längst lebt vinzentinisches Engagement weit über die Mutterhäuser hinaus. Auch ein Über-sich-Hinauswachsen!

Was gibt mir dazu die Kraft? Gut, der Glaube an mich selbst gehört dazu. Für mich sind aber zwei weitere Punkte noch viel wichtiger:

1. Ein gutes Umfeld. Menschen, die es gut mit mir meinen und mich das spüren lassen.

2. Das Vertrauen, ich bin nicht allein. Da ist einer, der mir zuspricht: Du bist nicht zufällig auf dieser Welt, du hast Gaben und Aufgaben. Nimm sie an und mach was draus! Und wenn du fällst, fange ich dich auf. So spricht Gott zu lhnen, zu mir, zu jeder und jedem

,,Mit meinem Gott überspringe ich Mauern“ heißt es im Psalm 18 (Ps 18,30). Höher springen als ich denke. Wie viele Menschen haben aus diesem Glauben schon unglaublich viel Kraft gezogen, um Unrecht zu widerstehen und anderen Menschen zu helfen, sie sogar vor dem Tod zu retten.

Wir wachsen, wo wir Gutes tun

Auch Vinzenz von Paul, dessen Fest wir am 27. September feiern, lockt mich größer zu denken und konkret zu werden. „Gott will mehr das Vertrauen als die Klugheit!“ – dieses Wort von ihm schenkt mir Neugier, nicht bei dem zu bleiben, was ist, sondern immer neu über mich hinauszuwachsen.

Ich glaube, wir wachsen vor allem da über uns hinaus, wo wir anderen Menschen etwas Gutes tun, sie glücklich machen, Leben retten, uns einsetzen für sie. Das braucht unsere Welt an so vielen Orten. Wahre Größe bemisst sich eben nicht nach Zentimetern, egal ob groß oder klein, sondern nach dieser Fähigkeit, über sich hinauszuwachsen. Und das können wir alle.

Sr. M. Teresa Slaby
Generaloberin der Vinzentinerinnen von Hildesheim
Mitglied des EVV-Aufsichtsrats

Wer war Vinzenz von Paul?

Antwort auf diese Frage findet sich hier.