Schwerpunkt EVV Campus Pflege, Menschlichkeit verbindet, Ordensschwestern

„Das Menschliche nicht der Wirtschaftlichkeit opfern.“

Schwerpunktthema PFLEGE in der kkvd-aktuell (November 2022).

Interview mit Sr. M. Dominika Kinder über die Zukunft des Pflegeberufs und den Auftrag der katholischen Krankenhäuser auf dem Weg dahin.

kkvd-aktuell: Es heißt, früher wurde die Krankenpflege von Ordensleuten gleichsam für Gotteslohn geleistet.
Ist das ein Klischee, oder steckt da auch Wahrheit drin?

Sr. M. Dominika: Sicher beides. Natürlich war der Gotteslohn eine wichtige Motivation für Ordensschwestern und -brüder, die in der Krankenpflege tätig waren.

Sie sahen ihre Aufgabe als Berufung an und wollten ihre Erfahrung von Gottes Liebe zu uns Menschen an die Kranken weitergeben.

Ihnen war aber auch wichtig, dass sie mit ihrem Dienst an den Menschen das Richtige tun, also nicht nur „guten Willen zeigen“.

Daher gab es für sie stets eine fundierte, vernünftige Ausbildung, sei es an Krankenpflegeschulen oder durch Anleitung erfahrener Schwestern oder Ärzte.
So war ihr Dienst immer auch professionell fundiert.

 

Die Rolle der Ordensleute in der Pflege hat sich seither verändert.
Woran liegt das, und wie bewerten Sie es?

Heute übernimmt die Gesellschaft, vertreten durch den Staat, die Verantwortung für kranke, pflegebedürftige oder behinderte Menschen. Das ist sehr gut so.

Früher war die Pflege zumeist Familiensache oder der Freiwilligkeit Einzelner überlassen. Da haben die Orden eine Lücke gefüllt.

Gleichzeitig erleben wir seit vielen Jahrzehnten in den Ordensgemeinschaften, dass sich die Nachfolge Jesu für neue Mitglieder nicht nur in der Krankenpflege ausdrückt.

Es gibt unterschiedliche Aufgaben, in denen das geschehen kann.

Ich kenne aber einige Schwestern aus meinem Orden, die tatsächlich bei uns eingetreten sind, weil sie Krankenpflege leisten wollten.

Bei denen war sehr auffällig, wie sehr sie sich um Fort- und Weiterbildungen bemüht haben, um ihre Aufgabe gut zu erfüllen.

 

Der Pflegeberuf steckt in der Krise. Was würden Sie heute einem jungen Menschen sagen, der eine Pflegeausbildung beginnen will?

Ich würde ihm sagen, dass die Pflege ein schöner Beruf ist, weil man dabei persönlich wächst.

Aber die Fähigkeit zur Begegnung mit anderen Menschen muss man sich erstmal erwerben.

Die neue Pflegedirektorin unseres EVV-Krankenhauses St. Elisabeth und St. Barbara in Halle (Saale) hat das kürzlich so formuliert:

„Den Pflegeberuf zu ergreifen gleicht einem Versprechen, die eigene Fähigkeit bestmöglich zu entwickeln und für die Patienten einzusetzen.“

Das bringt es auf den Punkt. Außerdem würde ich der Person raten, auf die eigenen Ressourcen zu achten. Das ist wichtig, denn einfach so schaffen wir es nicht, jeden Tag für andere Menschen da zu sein.

Da hatten es die Ordensleute vielleicht ein bisschen einfacher, weil ihnen ihr Glaube und das Streben nach Gotteslohn zusätzlich Kraft gegeben haben.

 

Die Präsidentin des Deutschen Pflegerates, Christine Vogler, sagte kürzlich: „Wir sind kein Assistenzberuf.“ Sehen Sie das ähnlich?

Ich würde sagen, Pflege ist auch ein Assistenzberuf, aber eben nicht nur. Was anderes ist denn Teamarbeit – als gegenseitige Assistenz?

Im Krankenhaus arbeiten Ärzte und Pflegekräfte eng zusammen für den kranken Menschen. Daher halte ich es für nicht ganz richtig, Arztberuf und Pflege aufspalten zu wollen.

Selbstverständlich ist die Pflege dafür da, das zu unterstützen und umzusetzen, was von den Ärzten als hilfreich für den Patienten gesehen wird.

Aber es ist auch klar, dass die Pflege nicht nur ein Assistenzberuf ist.
Sie hat eigenes Wissen, eine eigene Bedeutung und auch eigene Werte.

Die Schwester oder der Pfleger sind nicht nur ausführende Organe des Arztes. Das wäre zu wenig, keine Frage.

 

Der Pflegeberuf soll weiterentwickelt und professionalisiert werden.
Worauf kommt es dabei aus Ihrer Sicht an, was ist zu tun, damit Menschlichkeit und Nächstenliebe nicht verloren gehen?

Für die Professionalisierung der Pflege gilt, was für alle Berufe wichtig ist, die mit Menschen arbeiten: Wir müssen die Patienten individuell und ganzheitlich wahrnehmen.

Und wir müssen für sie die bestmögliche Therapie umsetzen. Neben der inhaltlichen und fachlichen Weiterentwicklung ist es aber auch notwendig, die Persönlichkeitsentwicklung der Pflegenden zu fördern – schon in der Ausbildung sollte es dafür feste Teile geben.

In kirchlichen Einrichtungen findet das beispielsweise durch Angebote wie Einkehrtage statt. Aber solche begleiteten Zeiten zur Selbstreflexion sind auch unabhängig eines religiösen Hintergrunds von Bedeutung.

Es geht darum, zu sich selbst zu finden und zu verstehen, was man eigentlich will.

Zudem heißt Professionalisierung, Aufmerksamkeit für die Patienten, Fürsorge und Geduld zu üben und zu lernen. Das ist tätige Nächstenliebe.

 

Welchen Auftrag sehen Sie für die katholischen Krankenhäuser auf dem Weg, den die Pflege, den die Gesundheitsversorgung insgesamt geht?

Trotz wirtschaftlich schwieriger Situationen dürfen wir das Menschliche nicht der Wirtschaftlichkeit opfern.

Das heißt für uns im EVV konkret, nach Wegen zu suchen, wie beispielsweise Seelsorge und Sozialarbeit für die Patienten spürbar bleiben.

Und es heißt auch, in die Persönlichkeitsentwicklung und das Sich-Wohlfühlen der Mitarbeitenden zu investieren.

Aber das Wohlfühlen muss fruchtbar sein.

Foto: EVV / Manuel Tennert

Schwester M. Dominika Kinder ist stv. Aufsichtsratsvorsitzende des Elisabeth Vinzenz Verbundes (EVV) und Vorsitzende des Kuratoriums der Katholischen Wohltätigkeitsanstalt zur hl. Elisabeth.

Von 2003 bis 2021 war sie Provinzoberin der Kongregation der Schwestern von der heiligen Elisabeth in Deutschland.

 

Katholischer Krankenhausverband Deutschland e.V. (kkvd)

Der kkvd ist als Fachverband eng mit dem Deutschen Caritasverband verbunden versteht sich als Anwalt seiner aktuell 273 Mitgliedseinrichtungen, den Krankenhäusern in katholischer Trägerschaft.

Die 13 Krankenhäuser des Elisabeth Vinzenz Verbundes sind Mitglieder des kkvd.

Alle Infos zum kkvd auf dessen Internetseite.

Positionspapiere, Publikationen und Pressebilder ebenso.

 

kkvd-aktuell 3 / November 2022

Veröffentlichung des Interviews mit freundlicher Genehmigung des kkvd, Redaktion und Interview: Herbert Möller.

Die gesamte Ausgabe mit Schwerpunkt PFLEGE finden Sie hier.

 

 

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