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Wenn Stress krank macht

Ob Streit in der Familie, eine hohe Belastung im Beruf oder politische Krisen: Viele Faktoren können dazu beitragen, die persönliche Resilienz, also die psychische Widerstandsfähigkeit gegenüber äußeren Einflüssen, zu reduzieren. Am Ende steht häufig eine ernstzunehmende Erkrankung.

Wie sich Erwachsene, aber auch Kinder und Jugendliche besser wappnen können und wann eine ärztliche oder therapeutische Behandlung sinnvoll ist, erläutern PD Dr. med. Mirko Döhnert, Chefarzt der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, -psychosomatik und -psychotherapie sowie Dr. med. Constantin Puy, Chefarzt der Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie am Krankenhaus St. Elisabeth und St. Barbara Halle (Saale).

Welchen Belastungen sehen sich Ihre Patienten und Patienten vorwiegend ausgesetzt?
Puy: Was uns von Patienten gespiegelt wird, ist das Gefühl, mit immer mehr Aufgaben und Problemen gleichzeitig konfrontiert und dadurch überfordert zu sein. Bildlich gesprochen sind gefühlt an verschiedenen Orten gleichzeitig Feuer zu löschen – sowohl auf beruflichen als auch auf familiären Schauplätzen. Wir sehen auch, dass Familiensysteme weniger verbindlich aufgestellt sind als noch vor zwei oder drei Jahrzehnten und der häufige Wechsel, sei es im Beruf oder bei partnerschaftlichen Beziehungen, eher die Regel als die Ausnahme ist. Das geht auf Kosten des eigenen Energielevels und löst dauerhaften Stress aus, der krank machen kann.


Dr. med. Constantin Puy (li.), Chefarzt der Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie am Krankenhaus St. Elisabeth und St. Barbara Halle (Saale).

 

Döhnert: Bei Kindern und Jugendlichen ist das Bild sehr bunt. Überwiegend sind es Alltagsbelastungen, die zu einer
Überforderung der jungen Menschen führen. Nehmen wir zum Beispiel das schulische Umfeld. Die Sorge, einen Abschluss nicht zu schaffen oder Mobbing im Klassenverband können Auslöser für eine Erkrankung sein. Ebenso wirken sich Konflikte in der Familie, der Tod eines nahen Angehörigen und im schlimmsten Fall Gewalterfahrung oder sexuelle Übergriffe nachhaltig negativ auf die Gesundheit des Kindes aus. Viel zu wenig beachtet wird die emotionale Vernachlässigung, die wir in Familien quer durch alle gesellschaftlichen Schichten feststellenmüssen. Oftmals ohne, dass sich die Eltern darüber bewusst sind.

Welche gesundheitlichen Probleme können entstehen?
Döhnert: Hauptsächlich haben wir es bei unseren jungen Patienten mit einer hohen Beziehungs- und Bindungsunsicherheit zu tun. Dies äußert sich dadurch, dass es den Kindern und Jugendlichen schwerfällt, persönliche Beziehungen oder auch Freundschaften aufzubauen und diese aufrecht zu erhalten. In ernsteren Fällen kommen Depressionen, Ängste, Sucht oder selbstverletzendes Verhalten hinzu – echte Alarmsignale also. Was uns immer wieder auffällt: Nahezu immer sind auch die Eltern seelisch beeinträchtigt.

Puy: Im Erwachsenenbereich fallen häufig extreme Sprunghaftigkeit und das Bedürfnis nach einer schnellen Bedürfnisbefriedigung auf. Bei fortgeschrittenen Krankheitsbildern sehen wir unter anderem Depressionen und Angststörungen sowie Adipositas, also krankhaftes Übergewicht. Dieses resultiert aus einer mangelnden Selbstfürsorge hinsichtlich gesunder Ernährung und ausreichender Bewegung.

Was kann jeder und jede selbst für eine bessere Resilienz tun?
Puy: Ein ebenso einfaches wie erfolgversprechendes Rezept sind erfüllende Hobbies. Natürlich trägt auch eine gute Beziehung oder Freundschaft dazu bei, nachhaltig Resilienz aufzubauen. Wichtig ist es, feste private Termine zu finden, die dann nicht leichtfertig umgestoßen werden. Dies kann zum Beispiel ein gemeinsamer Schwimmnachmittag der Eltern mit ihren Kindern, zum Beispiel alle zwei Wochen, sein.

Döhnert: Aktivitäten in der eigenen Peer Group, also einer Gruppe von Gleichaltrigen, empfehlen sich grundsätzlich. Ein gutes Beispiel sind hier Sportgemeinschaften. Wenn in der Familie ein regelmäßiger Austausch stattfindet und zum Beispiel ausgewogen gekocht und dann gemeinsam gegessen wird, ist dies ebenfalls eine seelisch stärkende Erfahrung. Es gilt, punktuelle Inseln im Alltag zu schaffen, die den Kindern und Jugendlichen entspannte Zeiten innerhalb der Familie ermöglichen und ihnen feste Rituale bieten.

Ab wann sollte man den Rat eines Facharztes bzw. einer Fachärztin suchen?
Döhnert: Wenn subjektiver Leidensdruck oder ein unablässiges Belastungsgefühl bei einem Kind oder Jugendlichen über viele Wochen hinweg anhalten, ist das ein ernstzunehmendes Warnzeichen. Auch die Vermeidung des Schulbesuchs über mehrere Tage oder Wochen deuten auf ein tiefer reichendes Problemhin. Leider suchen Eltern unserer Erfahrung nach eher zu spät als zu früh qualifizierten ärztlichen Rat.


PD Dr. med. Mirko Döhnert, Chefarzt der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, -psychosomatik und -psychotherapie am Krankenhaus St. Elisabeth und St. Barbara Halle (Saale).

 

Puy: Das Gespräch mit einer Fachärztin oder einem Facharzt ist im Zusammenhang mit fehlender Resilienz immer dann sinnvoll, wenn Grübeln oder das Gefühl, im Leben ständig getrieben zu sein, nicht mehr aufhören. Selbiges gilt für eine anhaltende negative Stimmung bzw. eine Gereiztheit oder Feindseligkeit gegenüber anderen Menschen. Auffällig sind auch anhaltende körperliche Symptome wie Übelkeit, Kopfschmerzen oder Nervosität.

Welche Angebote machen Sie zur Verbesserung der persönlichen Resilienz?
Puy: Am Anfang steht das niederschwellige Erstgespräch, in welchem individuelle Rahmenbedingungen abgefragt und Verhaltensempfehlungen mitgegeben werden. Bei weiterem Behandlungsbedarf bringen wir unsere Patienten in ressourcenstärkende Aktivitäten, zum Beispiel eine Kunst-, Musik oder Sporttherapie. Unterschätzt wird häufig der Faktoren Zeit. Für eine teilstationäre oder stationäre Therapie sollten sich Patienten 4-6 Wochen, besser noch 8 10 Wochen, nehmen.

Döhnert: Auch im Bereich der Kinder- und Jugendpsychotherapie ist Geduld gefragt. Nach der teilstationären oder stationären Behandlung sind häufig mehrere Jahre der Nachsorge durch niedergelassene Kolleginnen und Kollegen erforderlich – insbesondere dann, wenn es zum Beispiel um Essstörungen geht. Neben dem Angebot der Kunst-, Musik- oder Sporttherapie sehen wir uns während der Behandlung das familiäre Umfeld des Kindes oder Jugendlichen genau an. Hier sind dann immer auch die Eltern gefordert. Emotionale Zuwendung und gemeinsam verbrachte Zeit ohne Leistungsdruck sind unverzichtbar für den Erfolg jeder Therapie.


Dr. med. Constantin Puy (li.), Chefarzt der Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie und PD Dr. med. Mirko Döhnert, Chefarzt der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, -psychosomatik und -psychotherapie am Krankenhaus St. Elisabeth und St. Barbara Halle (Saale).

Beitrag: Krankenhaus St. Elisabeth und St. Barbara Halle (Saale)

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